Im Sommer 2024 unternahm bereits zum zweiten Mal ein Karlsruher Seminar eine Exkursion zur NATUR-Skulptur, diesmal mit Studierenden und Lehrenden sowohl vom Institut für Kunst- und Baugeschichte des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) als auch von der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG). Nach einer Waldführung durch Revierleiter Siegfried Huber wurde die die rund zwanzigköpfige Exkursion unter der Leitung von Prof. Susanne Kriemann und Dr. Jens Hauser auf der Kleineben beim eigentlichen Ziel der Exkursion von Ziegen begrüßt: der NATUR-Skulptur. Im Vergleich zur Exkursion im Vorjahr konnten bereits mit bloßem Auge sichtbare Veränderungen festgestellt werden. Die Versilberung insbesondere an den wetterexponierten Stellen war noch weiter fortgeschritten, was den verschiedenen Hölzer weiter an Charakter verleiht. An feuchteren Stellen insbesondere zum Berg hin, konnten leicht grünliche Oberflächenverfärbungen beobachtet werden, was auf eine Besiedlung von Algen schließen lässt.
Eines der Ziele der Exkursion galt aber den unsichtbaren Veränderungen und zwar wie sich das Holz auf der ‚mikroperformativen‘ Ebene verwandelt. Um den Mikroorganismen auf die Spur zu kommen, hatte der emeritierte Bioverfahrenstechniker Prof. Clemens Posten vom KIT steriles Equipment mitgebracht und führte in die Vorgehensweise der Probenentnahme sowie die korrekte Dokumentation ein. Auf einen klassischen Kernbohrer wurde aufgrund der zu großen Bohrlöcher verzichtet, stattdessen wurden von den Studentinnen und Studenten mit einem schmalen 4mm-Bohrer den Hölzern der fünf Buchstaben sowohl talseitig wie bergseitig Proben entnommen. Die Balken wurden auf der unteren Seite jeweils angebohrt, um zukünftige Quellen für Staunässe zu vermeiden. Die Späne wurden in sterilen Röhrchen aufgefangen und die Bohrspitzen nach einer Bohrung jeweils mit Alkohol desinfiziert. Jede Probe wurde durchnummeriert, damit später im Labor die Zuordnung zu Buchstabe und jeweiliger Position stattfinden kann.
Julia Ihls nahm die Proben schließlich mit an die HfG Karlsruhe. Dort leitet sie das Bio Design Lab, wo sie nun die Proben auf LB-Agar-Platten anziehen konnte. Innerhalb weniger Tage begannen sich auf dem Nährmedium von den Spänestückchen ausgehend je nach Holzart verschiedene Pilze auszubreiten. Da das äußere Erscheinungsbild für eine Bestimmung, welcher Pilz sich genau nun in dem jeweiligen Holz angesiedelt hat, nicht ausreicht, wechselten die Proben noch einmal das Labor zu Prof. Peter Nick am Joseph Gottlieb Kölreuter Institut für Pflanzenwissenschaften (JKIP) am KIT.* In dessen Labor für Molekulare Zellbiologie bereitete Dr. Gabriele Jürges die Proben in einem zweitägigen Prozess aufwendig für die Sequenzierung auf (Minute 4:35 ff): Hierfür wurden die Zellen aufgeschlossen und die DNA isoliert. Im Anschluss wurde ein bestimmter Abschnitt der ribosomalen Erbinformation, der für Pilze charakteristisch ist, über Primer (ITS4 & 5) markiert und mittels der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) vervielfältigt. Nach einer weiteren Aufreinigung gingen diese DNA-Proben schließlich an eine Fremdfirma zur Sequenzierung.
18 verschiedene Pilze
Die Sequenzen, die nach 1-2 Tagen vorlagen, konnten schließlich mit der MYCOBANK-Datenbank online abgeglichen werden und geben nun einen ersten Aufschluss über die Kolonisierung der Holzbuchstaben durch unterschiedliche Pilze. Rund 18 verschiedene Pilze konnten identifiziert werden. Vor allem bei den Proben, die von der Oberfläche durch einen direkten Abdruck auf ein Nährmedium abgenommen wurden, konnten einige nicht holzspezifische Varianten festgestellt werden, die auch Gräser oder Nutzpflanzen befallen können. Auffällig oft konnte in den Proben der pathogene Schlauchpilz Sydowia polyspora festgestellt werden. Das latente Pathogen, das 1891 erstmals beschrieben wurde, befällt als sogenannter Endophyt überwiegend symptomlos das Pflanzengewebe von Koniferen wie Kiefern, Douglasien und Lärchen. Kommt der Nadelbaum unter Stress macht sich der Schwächeparasit – vermutlich im Zusammenwirken mit anderen Krankheitserregern – bemerkbar: Auf den Nadeln bilden sich kleine punktförmige Fruchtkörper und es bilden sich braunen Flecken. In den Proben wurden aber auch sogenannten Saprophyten, wie z.B. Cladosporium tenuissium, nachgewiesen, die Totholz befallen. Der Übergang von Totholz befallenden Pilzen und Krankheitserregern, die auch in lebenden Bäumen vorkommen, ist nach Einschätzung von Prof. Peter Nick jedoch fließend: „Man kann nicht so eine klare Grenze zwischen Krankheit und Gesundheit ziehen – also Zerfall kann gesunder Zerfall oder krankmachender Zerfall sein“.
* Die Botanik ist das älteste Forschungsgebiet in Karlsruhe und reicht ein halbes Jahrhundert vor die Gründung des Polytechnikums zurück. Die botanische Forschung geht auf Joseph Gottlieb Kölreuter (1733–1806) zurück, der als Professor für Naturgeschichte sowie Direktor der Hofgärten in Karlsruhe u.a. zur sexuellen Fortpflanzung von Pflanzen forschte und die Insektenbestäubung entdeckte.
Bildnachweise Palmfarnbilder: Maren Riemann, Drohnenaufnahme: Aron & Hans Kimmig