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SCHWARZWALD ANTHROPOZÄN

KIT Institut für Kunst- & Baugeschichte auf mikroperformativer Tuchfühlung mit der NATUR

von Miriam Seidler (22. Jul 2023)
Nachdem im vergangenen Jahr die NATUR-Skulptur bereits Anlass war für einen Tagesauflug einer internationalen Sommerschule der Universität Konstanz, erhielt dieses Jahr das skulpturale Reallabor abermals akademischen Besuch: Am vergangenen Freitag veranstaltete ein Seminar des Karlsruher Instituts für Technologie unter der Leitung von Prof. Dr. Jens Hauser eine „resolut interdisziplinäre Tages-Exkursion“ – so die Ankündigung – zum skulpturalen Reallabor nach Oppenau, mit dabei auch einige Gäste aus der Region.

Dass auch für den Schwarzwald das Anthropozän – d.h. das Zeitalter, in dem die Menschen die Umwelt nicht nur lokal, sondern global verändern – wesentlich vor das 20. Jahrhundert zu datieren ist, wurde auf einer Waldführung mit Revierleiter Siegfried Huber im vorderen Lierbachtal deutlich: So war das deutsche Mittelgebirge vor rund 200 Jahren aufgrund von Übernutzung fast völlig kahlgeschlagen. Die aktuellen Herausforderungen der steigenden Temperaturen für die regionale Forstwirtschaft führte der Förster eindrücklich vor Augen – vorbei ging es an Tannen mit kargen Kronen, an einer Südhanglage mussten Buchen gefällt werden, die der Trockenheit der letzten Jahre nicht mehr standhalten konnten. Siegfried Huber plädierte für eine aktive Waldbewirtschaftung als aktiven Klimabeitrag: „Ein naturwüchsiger Wald, der sich selbst überlassen bleibt, hat ab einem bestimmten Zeitpunkt einen Sättigungsgrad, CO² zu binden, erreicht. Wenn wir den Wald hingegen nachhaltig ohne Kahlschläge bewirtschaften und das eingeschlagene Holz im Bau einsetzen, binden wir über Jahrhunderte wesentlich mehr Kohlendioxid.“

Ganz neue Möglichkeiten mit Holz auf dem Bau zu arbeiten, zeigte Stephan Hielscher vom Kompetenzzentrum Bau Bühl auf. Der CNC-basierte Abbund mit mehrachsigen Robotern ermöglicht es, vorab einen kompletten Holzbau hochpräzise vorzuproduzieren, so dass die konfektionierten Balken ohne große Nachbearbeitung auf der Baustelle zusammengesetzt werden. „Holz wird damit nicht nur aus wirtschaftlicher Seite wieder hochattraktiv, sondern wir können auch mit ganz neuen Holzverbindungen arbeiten“, so der Meister der Holztechnik des Ausbildungszentrums. Dass dies auch der Kunst neue Möglichkeiten eröffnet, zeigte er anhand eines Balkenprototypen für die NATUR-Skulptur auf, für die er mit Florian Braun eine besondere formschlüssige Verbindung entwickelt hat. Das Komzet Bau produzierte im vergangenen Jahr die komplette NATUR-Skulptur und stellte diese mit Auszubildenden auf.

In mikroskopische Dimensionen der NATUR-Skulptur dringt hingegen Prof. Dr.-Ing. Clemens Posten (KIT, Bioverfahrenstechnik) ein. Mit Hilfe der Studentinnen hat er von allen Buchstaben Holzproben entnommen, die dann konserviert und analysiert werden sollen, um herauszufinden, welche Mikro-Organismen und Pilze spezifisch an der Zersetzung der verschiedenen Holzbuchstaben beteiligt sind.

Nach einem Picknick mit Brot und Quiche vom Vorderbühlhof rundeten Kurzreferate der Studentinnen von Prof. Dr. Jens Hauser zu Naturdarstellungen in der Kunstgeschichte den Ausflug historisch ab. Die Beiträge widmeten sich dem Aufkommen der Landschaftsmalerei ab dem 16. Jahrhundert, Cezannes malerischen Impressionen des Mont St. Victoire, einer Photoserie zu Telekommunikationsmasten in den USA von Robert Voit, die u.a. skulptural als Palmen stilisiert werden, bis hin zu einer Großskulptur aus einem Mammutbaum, die der Bildhauer Karl Manfred Rennertz 2019 in Baden-Baden geschaffen hat.

Mit einem stattlichen Baum sah die Gruppe sich beim Abstieg übers Schloßbächle konfrontiert, wo eine entwurzelte Tanne ein tiefes Loch im Weg klaffen ließ. Der Baum war vermutlich wenige Tage zuvor dem Unwetter zum Opfer gefallen. 

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